1950 – 1975

Musikverein & Kreisfeuerwehrkapelle 1950 bis 1975

Das 50-jährige Jubiläumsfest des Musikvereins 1900 gehört der Vergangenheit an, der Alltag kehrt wieder ein.
Im Jahre 1952 ein Ereignis von großer Bedeutung für den Musikverein, für das Vereinsleben schlechthin. Im Zusammenhang mit den vielen Auftritten bei Veranstaltungen und Festen, aber auch als Folge eines Auftritts 1949 in Willich, wo man in geliehenen Feuerwehruniformen beim damaligen Kreisfeuerwehrfest als Feuerwehrkapelle auftrat, war die Feuerwehr auf die Kapelle aufmerksam geworden.

Für das Jahr 1952 hatten die Delegierten der Feuerwehren im Kreis Kempen/Krefeld das Kreisverbandsfest nach Kaldenkirchen vergeben. Zur musikalischen Untermalung wird eine nicht vorhandene Feuerwehrkapelle gesucht. Der damalige Kaldenkirchener Wehrleiter Johannes Peters kommt dann auf die Idee, den Musikverein bei Beibehaltung seiner Eigenständigkeit als Kapelle in die Feuerwehr zu integrieren. Auch Kreisbrandmeister Heinrich Neumann zeigt sich von einer solchen Idee sehr angetan. Man einigt sich auf den Status einer Kreisfeuerwehrkapelle. Der Vereinsvorsitzende Wilhelm Ulen wird mit diesen Absichten konfrontiert und nach Befragung erklärt sich auch die Kapelle hiermit einverstanden. Man fühlt sich auch etwas geehrt und hofft insgeheim, daß ein künftiges Auftreten als Kreisfeuerwehrkapelle sicherlich förderlich sein könne. Auch Dirigent Toni Schmitz, der seit 1947 dem Musikverein vorstand, steht der Idee positiv gegenüber. Er fühlt sich in seiner musikalischen Arbeit bestätigt, denn er hatte als Nachfolger von Peter Dammer die Basis für die musikalischen Erfolge der letzten Jahre geschaffen.

Durch die Ernennung zur Kreisfeuerwehrkapelle häufen sich die Verpflichtungen und Auftritte. Für die Musiker ist es oft doch recht schwierig, all diesen Terminen nachzukommen. Aber die Begeisterung für die Musik ermöglicht eben vieles, wenn der Freizeitverlust auch noch so groß ist. Protektor des Musikvereins in dieser Zeit ist der in Kaldenkirchen allseits geschätzte Lehrer Hans Welters.

Im Jahre 1953 gibt es einen Wechsel im Dirigat. Nachfolger von Toni Schmitz wird Hans Borghoff aus Kaldenkirchen. Auch unter der Leitung des neuen Dirigenten, der bei der Wehrmacht Obermusikmeister gewesen war, können wieder große musikalische Triumphe gefeiert werden. Dies wird noch heute durch die vorhandenen Programmhefte der damaligen Zeit eingehend  dokumentiert.

Die Konzerte in dieser Zeit werden sowohl von der örtlichen Bevölkerung als auch von auswärtigen Gästen so gut besucht, daß die Säle in Kaldenkirchen oft nicht alle Besucher aufnehmen können. Besonders die Feuerwehren aus dem Kreis Erkelenz sind mit großen Abordnungen vertreten. Manchmal müssen noch hinter den Musikern auf der Bühne Stühle für die Besucher aufgestellt werden. Als Folge dieser Begeisterung und dieses Andrangs werden einige Konzerte sogar an zwei Tagen hintereinander aufgeführt.

Ein Bild aus dem Jahre 1952 zeigt die Musiker in ihren neuen Feuerwehruniformen als Kreisfeuerwehrkapelle. Man ist stolz, in diesen Uniformen erstmals beim Kreisverbandsfest der Feuerwehren in der Heimatstadt Kaldenkirchen auftreten zu dürfen.
Die Aktivitäten der Jahre 1953 bis 1956 sind den Protokollbüchern wie folgt zu entnehmen: 1953 vier Konzerte und vier Promenadenkonzerte, 1954 fünf Konzerte und sechs Platzkonzerte, 1955 fünf Konzerte, fünf Platzkonzerte, 1956 vier Konzerte, sechs Platzkonzerte. Es häufen sich auch die Auftritte bei Feuerwehrfesten.

Aus dem Jahre 1955 ist zu berichten, daß die Musiker bei einem 2-tägigen Auftritt im Kreis Erkelenz privat einquartiert werden; so auch drei Kameraden beim Inhaber eines Möbelhauses. Bei der Heimkehr ins Quartier zu vorgerückter Stunde haben diese „Drei“ dann auch die Möbel im Ausstellungsraum und in den Schaufenstern ausprobiert. Beim Probeliegen trägt vor allem die gute Polsterung dazu bei, daß man einschläft. Am nächsten Morgen staunen dann die zur Frühmesse gehenden Bewohner aus dem Ort nicht schlecht, als sie die Musiker schlafend im Schaufenster vorfinden.

Leider verläßt Hans Borghoff im Jahre 1956 die Kapelle, eine bedauernswerte, aber leider unvermeidliche Entscheidung. Borghoff übernimmt mit dem Bergwerksorchester Walsum eine sehr bekannte Kapelle, für ihn somit eine große musikalische Herausforderung. Auch unter seiner Leitung tritt dieses Orchester oftmals bei den sonntägigen Hafenkonzerten in Duisburg auf, die meist über Rundfunk ausgestrahlt werden. Erwähnenswert an dieser Stelle, daß Hans Borghoff zur Mitwirkung bei diesen Konzerten auch des öfteren Musiker der Kreisfeuerwehrkapelle benötigt, eine große Ehre für den einzelnen Musiker, eine solche aber auch für den Musikverein 1900.

Ein Jahr nach dem Ausscheiden von Hans Borghoff ein ebenso schwerer Schlag. Bei der Jahreshauptversammlung 1957 legt der langjährige Vorsitzende Willi Ulen sein Amt nieder. Er hinterläßt eine nur schwer zu schließende Lücke; guter Rat ist wieder einmal teuer. In Heinrich Hahnen findet sich schließlich dann doch ein Kamerad, der das verantwortungsvolle und schwierige Amt des Vorsitzenden antritt.

Im Jahre 1957 wird Ernst Hennig aus Lobberich als neuer Dirigent verpflichtet. Er war, wie Borghoff, Obermusikmeister. Seine Bekanntschaft mit Willi Ulen war Ausgangspunkt dieser Verpflichtung. Das erste Konzert unter seiner Leitung, bereits im Frühjahr 1957, ist ein voller Erfolg. Bei diesem Auftritt ist bereits unzweifelhaft erkennbar, daß es sich bei dem in Königsberg geborenen Musiker um einen Vollprofi handelt, der nahezu alles, was mit der Musik zusammenhängt, beherrscht. Auch er schreibt für die Kapelle einen Marsch unter dem Namen „Meine neue Heimat“.

Aber auch für einen solchen Vollprofi gibt es einen Bereich, den es zu beherrschen gilt, nämlich die Arbeit mit einem Orchester mit guten, aber letztlich doch Laienmusikern. Hier auftretende Differenzen können nicht beigelegt werden, so daß hieran auch ein so exzellenter Musiklehrer wie Ernst Hennig scheitern muß. Nachdem in einer außerordentlichen Versammlung am 17.09.1958 bestehende Differenzen noch einmal beigelegt werden, wird Ernst Henning dann jedoch bei der Jahreshauptversammlung Ende 1959 mit knapper Mehrheit von dem Mitgliedern abgewählt.

Doch auch langgediente Laienmusiker verfügen über Talente, die es so manchem Dirigenten gleich tun können. Hierin liegt auch eine Stärke des Musikvereins. So wie in früheren Jahren mehrfach Mitgründer und Ehrendirigent Peter Dammer, ist auch jetzt wieder ein Mitglied zur Stelle, das in diesen schwierigen Tagen das Dirigat übernimmt. Heinrich Rütten, er spielt Tenorhorn und auch Geige, ist hierfür der rechte Mann am richtigen Platz. Er versteht es vor allem, als Dirigent Laienmusiker zu führen und findet daher schnell die Anerkennung seiner jetzigen Kapelle. Auch unter seiner Leitung, die bis 1965 andauert, können große musikalische Erfolge gefeiert werden. Er führt die vor allem von seinen Vorgängern Hans Borghoff und Ernst Hennig gepflegte Tradition der gehobenen Blasmusik fort.

Im Jahre 1959 wird Jakob Jansen Nachfolger des aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Vorsitzenden Heinrich Hahnen. Unter seinem Vorsitz feiert der Musikverein mit einem großen Festkonzert im Saale Eicker sein 60-jähriges Bestehen. Als neuer Protektor stellt sich im Jahre 1960 der Kaldenkirchener Bürgermeister Engelbert Meertz (bis 1968) vor. Sein Vorgänger, der Kaldenkirchener Arzt Dr. Dickmann, war nach Köln verzogen. Der Musikverein ist in dieser Zeit wieder einmal eine überall gern gesehene Kapelle, deren Mitglieder viele Auftritte zu absolvieren haben. So nimmt man in diesen Jahren mehrfach am Rosenmontagszug in Krefeld teil; die Feuerwehrfeste in Leuth, Schwanenberg, Brüggen und Wegberg werden mitgestaltet.

Der sich ständig verschlechternde Probenbesuch ist für Jakob Jansen dann Anlaß, den Vorsitz niederzulegen; viele Appelle hatten nicht geholfen. Willi Ulen springt noch einmal in die Bresche mit der unmißverständlichen Erklärung, sofort zurückzutreten, wenn hier wieder Schlendrian eintrete.

Im Jahre 1965 wieder ein schwer zu verdauender Schicksalsschlag: Heinrich Rütten, Mitglied und geschätzter Dirigent, verstirbt nach schwerer Krankheit. Ein neuer Dirigent muß her und man findet diesen schließlich in Ernst Sauke aus Kaldenkirchen. Sauke, ein langgedienter Militärmusiker und Klarinettist, verrichtet als Zollbeamter in Kaldenkirchen seinen Dienst. Unter seiner Leitung wird bereits beim Winzerfest in Zons aufgespielt. Auch er hat die Gabe, ein Laienorchester zu führen und dieses für die Musik zu begeistern. 1966 die Protokollnotiz: Während beim Oktoberfest der Besuch ausgeblieben war, kann durch den gut besuchten Altweiberball die Kasse wieder etwas aufgefüllt werden.

Willi Ulen, der 1964 das Amt des Vorsitzenden übernommen hatte, tritt 1967 aus Altersgründen von seinem Amt zurück. Nachdem eine erste Mitgliederversammlung ohne Ergebnis blieb, findet man bei einer erneuten Versammlung in Heinz Vaehsen einen Nachfolger, der sich bereits seit einigen Jahren als Schriftführer Verdienste erworben hatte. Er tritt eine Amtszeit von 21 Jahren an, welche vor ihm noch kein Vorsitzender erreicht hatte. Protektor des Vereins wird 1968 der Kaldenkirchener Arzt Dr. Heinz Schweikert, der diese Funktion bis 1988 inne hat. Im Jahre 1968, nach 4jähriger Pause, findet wieder ein Familienabend und auch wieder ein Frühjahrskonzert statt.

Es folgt die Teilnahme an einer Musikschau der Feuerwehren in Essen. Durch den Saalumbau Eicker bedingt erfolgt der Vereinslokalwechsel in den Saal Timmermanns/Inderhees.

Am 01.01.1970 kommt die kommunale Neugliederung zustande. Die bisher selbständigen Gemeinden Breyell, Hinsbeck, Kaldenkirchen, Leuth und Lobberich werden zur neuen Stadt Nettetal, rd. 39.000 Einwohner, zusammengeschlossen. Zum 01.04.1995 kommt Schaag als 6. Ortsteil hinzu. Der Kapelle gehören im Jahr der Neugliederung 48 Aktive an. Die Kapelle wird Musikzug der neuen Nettetaler Wehr und Kreisfeuerwehrkapelle Viersen. Wehrleiter der Wehr Nettetal wird Albert Spielhofen, Kreisbrandmeister ist Gerhard Missing.

Der Höhepunkt des Jahres 1970 ist die Teilnahme am Treffen der deutschen Feuerwehren in Münster, am Bundesfeuerwehrtag. Im Rahmen des großen Festzuges marschiert die Kapelle auch an Bundeskanzler Willi Brandt vorbei, der den Festzug abnahm. Erwähnenswert ist auch der Besuch des Nato-Musikfest in Mönchengladbach auf Einladung von Oberkreisdirektor Rudolf Müller.

Eine sich abzeichnende, von allen Musikern bedauerte Entwicklung findet ihr Ende. Dirigent Ernst Sauke verstirbt im Jahre 1971 nach schwerer Krankheit. Bei der Suche nach einem neuen Dirigenten ist wieder einmal Hans Borghoff, dessen Kontakt zum Musikverein nie abgebrochen war, als Vermittler tätig. Er empfiehlt Werner Stenmans aus Weeze, später Kevelaer, als Dirigent. Bei seiner Verpflichtung kann man von einem Glücksgriff reden, denn Stenmans führt die Kapelle in den nächsten 17 Jahren.

Im gleichen Jahr wird der Musikverein mit neuen Feuerwehruniformen ausgestattet. Bei dieser Gelegenheit sei nochmals der Hinweis erlaubt, daß der Musikverein durch die Ernennung zur Kreisfeuerwehrkapelle eine große Aufwertung und im Laufe der Jahre auch Bekanntheit erfuhr. Den ehemaligen Initiatoren und Mitgliedern daher nochmals einen Dank der heutigen Kapelle und ihrer Mitglieder für die damalige Entscheidung.

Im Jahre 1972 wurde das Wahlverfahren im Verein neu geordnet. Die sogenannte 1. und 2. Garnitur (Vorsitzender, Schriftführer, Kassierer bzw. deren Stellvertreter) wird nun jeweils im Wechsel für 2 Jahre bestimmt. Im Folgejahr gibt es insgesamt 28 Auftritte mit u.a. einem Platzkonzert auf Burg Linn und einem Weihnachtskonzert in der Strafvollzugsanstalt Anrath.

Es beginnt die Zeit, in der man sich etwas von der althergebrachten Blasmusik abwendet und moderne Kompositionen einbringt. 1974 erfolgt der Vereinslokalwechsel von Inderhees zur Gaststätte Ebler „Zum Ring“.

Seit 1975 wird erstmals eine weibliche Person in der Mitgliederliste geführt. In der Satzung vom 18.01.1936 hieß es noch: „Aktive Mitglieder des Vereins können sein tätig arbeitende männliche Personen, die ein Instrument spielen oder sich in Instrumentalmusik ausbilden.“

Bereits Ende 1973 beginnen die Vorbereitungen zum 75-jährigen Bestehen des Musikvereins, ein Festausschuß nimmt seine Tätigkeit auf. Anfang Mai ist dann die große Feier unter der Schirmherrschaft von Oberkreisdirektor Rudolf Müller, einem Förderer der Kapelle. Das Festzelt steht neben Kino/Diskothek auf der Venloer Straße. Vor dem von Liedertafel, Trommlercorps und Turnabteilung mitgestalteten Festbankett ist am Samstag die Ehrung für die Gefallenen und Verstorbenen. Der letzte lebende Mitgründer Peter Dammer wird geehrt, der frühere Dirigent Hans Borghoff zum Ehrendirigenten ernannt. Die Mitglieder Heinrich Vaasen, Willi Ulen, Wilhelm Kessels und Heinrich Hahnen werden für 50 bzw. 60-jährige Zugehörigkeit geehrt. Hier stehen Mitglieder und Kameraden im Mittelpunkt, die dem Verein auch in schweren Zeiten die Treue gehalten, ihn zusammenhielten und zu neuer Blüte gebracht hatten. Höhepunkt des musikalischen Teils sind die 3 Märsche, die von Dirigenten der Kapelle komponiert wurden: „Meine neue Heimat“ oder später „Deutschland heißt mein Vaterland“ von Ernst Hennig, „Festlicher Marsch“ von Hans Borghoff, der diesen noch einmal selbst dirigierte, und natürlich „Hoch Kaldenkirchen“ von Joe Alex. Dirigent Werner Stenmans führte die Kapelle an diesem Abend in seiner „Ruhe ausstrahlenden Art“ zu manchem Höhepunkt. Nach dem Festgottesdienst unter Mitgestaltung des Kirchenchores findet ein Frühschoppenkonzert statt, am Nachmittag der Festzug unter Beteiligung von 28 Vereinen aus dem In- und Ausland, und anschließend auf dem Marktplatz ein Freundschaftsspielen aller beteiligten Musikvereine und Trommlercorps. Die schönen und unvergeßlichen Tage enden am Sonntag mit einem Festball im Zelt.